Keine fristlose Entlassung sog. Whistleblower

Ein Arbeitgeber darf Mitarbeiter, die Missstände in einem Unternehmen öffentlich machen, nicht fristlos kündigen.

Demnach verstößt eine Kündigung aufgrund öffentlich gemachter Missstände gegen die Menschenrechtskonvention und verletzt den Mitarbeiter in seiner Meinungsfreiheit.
Öffentlich gemachte Misstände sind zwar rufschädigend. Wendet sich der betreffende Mitarbeiter zunächst jedoch an seinen Arbeitgeber, um Missstände abzuschaffen und reagiert der Arbeitgeber daraufhin nicht, so überwiegt das öffentliche Interesse an der Information über Missstände gegenüber dem Schutz des Unternehmens.

Im entschiedenen Fall hat eine Altenpflegerin des Klinikbetreibers Vivantes den Arbeitgeber mehrfach auf einen Personalmangel und die Überlastung des Personals hingewiesen. Zudem bestätigte der Medizinische Dienst wesentliche Pflegemängel und einen Personalmangel. Der Arbeitgeber reagierte nicht, was die Pflegerin dazu veranlasste Anzeige zu erstatten. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber der Altenpflegerin fristlos.

Der EGMR sah in der Kündigung einen Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention und sprach der Altenpflegerin eine Entschädigung in Höhe von 15.000 Euro zu.
Insbesondere ist nach dem EGMR das öffentliche Interesse an der Aufdeckung von Mängeln in der institutionellen Altenpflege staatlicher Unternehmen gegenüber dem Interesse des Unternehmens am Schutz seines Rufes und seiner Geschäftsinteressen vorrangig.
 
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil EGMR 28274 08 vom 21.07.2011
[bns]