Ab dem 1. Januar 2015 gilt erstmals für ganz Deutschland eine gesetzlich festgelegte Lohnuntergrenze. Vom Mindestlohngesetz sind auch Arbeitgeber betroffen, die schon lange durchweg einen Stundenlohn zahlen, der über dem neuen Mindestlohn liegt. Vor allem müssen die Arbeitgeber neue Aufzeichnungspflichten beachten, deren Nichterfüllung mit empfindlichen Strafen belegt ist.
Lohnhöhe: Der gesetzliche Mindestlohn beträgt ab dem 1. Januar 2015 8,50 Euro brutto je Zeitstunde und wird sich frühestens zum 1. Januar 2017 ändern, sofern nicht ein Tarifvertrag einen höheren Lohn vorsieht. Mit dem Mindestlohn beträgt das durchschnittliche Bruttomonatsgehalt
1.289 Euro bei 35 Wochenstunden,
1.381 Euro bei 37,5 Wochenstunden,
1.473 Euro bei 40 Wochenstunden,
1.547 Euro bei 42 Wochenstunden.
Bei Minijobbern darf die vertraglich vereinbarte monatliche Stundenzahl zu keiner Unterschreitung des Mindestlohns führen. Die maximale monatliche Arbeitszeit für Minijobber beträgt also
47 Stunden bei 400 Euro Arbeitslohn,
52,9 Stunden bei 450 Euro Arbeitslohn.
Ausnahmen vom Mindestlohn: Der Mindestlohn gilt für alle Arbeitnehmer, auch Minijobber, kurzfristig Beschäftigte, Praktikanten, Studenten, Rentner oder angestellte Familienangehörige. Generell davon ausgenommen sind nur
Auszubildende,
Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung,
ehrenamtliche Tätigkeiten,
Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung nach mindestens einem Jahr Arbeitslosigkeit,
bestimmte Praktika (siehe unten).
Daneben gibt es zeitlich befristete Ausnahmen für bestimmte Branchen, in denen die spätere Einführung des Mindestlohns im Gesetz oder in einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag geregelt ist (O = Unterschreitung des Mindestlohns nur in Ostdeutschland):
Fleischwirtschaft (8,00 Euro bis zum 30. September 2015)
Land- und Forstwirtschaft einschließlich Gartenbau (Stundenlohn in 2015: 7,40 Euro West / 7,20 Euro Ost)
Friseurhandwerk (bis 31. Juli 2015 pro Stunde 8,00 Euro West / 7,50 Euro Ost)
Textil- und Bekleidungsindustrie O
Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft O
Zeitarbeit O
Zeitungszusteller (75 % des Mindestlohns in 2015, 85 % in 2016)
Minijobber: Auch geringfügig entlohnte oder kurzfristig Beschäftigte haben einen Anspruch auf den Mindestlohn. Bei Minijobs mit einem Stundenlohn von bisher weniger als 8,50 Euro brutto je Zeitstunde kann es daher zu einer Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze von monatlich 450 Euro kommen. In der Folge tritt automatisch volle Sozialversicherungspflicht ein. Arbeitgeber können aber durch Anpassungen der Beschäftigung (Reduzierung der Arbeitszeit) die Entgeltgrenze für geringfügige Beschäftigungen von maximal 450 Euro weiter einhalten.
Praktika: Praktikanten haben ebenfalls Anspruch auf Mindestlohn, wenn das Praktikum nicht in eine der folgenden Kategorien fällt:
Pflichtpraktika im Rahmen einer Studien-, Ausbildungs- oder Schulordnung
Praktika im Rahmen der Ausbildung an einer Berufsakademie
Praktika begleitend zu einer Ausbildung oder einem Studium von bis zu drei Monaten, wenn mit demselben Praktikanten nicht schon ein solches Praktikumsverhältnis bestanden hat
Praktika von bis zu drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums
Einstiegsqualifizierung, die von der Arbeitsagentur gefördert wird
Berufsausbildungsvorbereitung nach dem Berufsbildungsgesetz
Damit haben insbesondere alle Praktikanten, die nach einem Studium oder einer Ausbildung ein freiwilliges Praktikum leisten, Anspruch auf den Mindestlohn.
Auszahlungsfrist: Der Arbeitgeber muss den Mindestlohn spätestens am letzten Bankarbeitstag des auf die Arbeitsleistung folgenden Monats zahlen.
Arbeitszeitkonten: Die auf einem Arbeitszeitkonto erfassten Arbeitsstunden müssen spätestens innerhalb von zwölf Kalendermonaten nach ihrer Erfassung durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung des Mindestlohns ausgeglichen werden. Das gilt allerdings nur dann, wenn der Mindestlohnanspruch für die zusätzlichen Arbeitsstunden nicht bereits durch Zahlung des regulären Monatsgehalts erfüllt ist (Gesamtentgelt der letzten 12 Monate geteilt durch Gesamtarbeitszeit > 8,50 Euro). Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses muss der Arbeitgeber nicht ausgeglichene Arbeitsstunden spätesten im Folgemonat ausgleichen.
Bruttolohn: Der Mindestlohn gilt für die Bruttovergütung pro Zeitstunde. Das Mindestlohngesetz sagt aber nicht, welche Vergütungselemente dazu zählen und welche nicht. Vorerst gilt daher die Rechtsprechung zum Arbeitsrecht als Maßstab. Danach zählen Zulagen, Zuschläge, Stücklöhne oder andere Vergütungselemente dann zum mindestlohnrelevanten Bruttolohn, wenn sie die normale Arbeitsleistung des Arbeitnehmers vergüten und sich in einen Stundenlohn umrechnen lassen.
Vergütungselemente: Eindeutig nicht zum Bruttolohn zählen zum Beispiel Trinkgelder, weil sie nicht vom Arbeitgeber bezahlt werden. Sachleistungen können allenfalls dann einbezogen werden, wenn sie sich in einen Stundenlohn umrechnen lassen, was oft schwierig werden dürfte. Für wieder andere Lohnbestandteile gibt es eine rechtliche Grauzone. Urlaubs- und Weihnachtsgeld beispielsweise sind eigentlich Teil des Arbeitsentgelts. Weil diese Sonderleistungen aber jährlich gezahlt werden, liegt die Zahlung in der Regel außerhalb der Frist von maximal einem Monat nach Arbeitsleistung, innerhalb der der Arbeitgeber den Mindestlohn ausgezahlt haben muss.
Aufzeichnungspflichten: Das Gesetz verpflichtet Arbeitgeber, ab dem 1. Januar 2015 detaillierte Stundenaufzeichnungen für bestimmte Arbeitnehmer zu führen. Die Aufzeichnungspflicht gilt für Minijobs (kurzfristige oder geringfügig entlohnte Beschäftigungsverhältnisse) in allen Branchen mit Ausnahme der Minijobber in Privathaushalten. Daneben sind Stundenaufzeichnungen unabhängig vom Umfang der Beschäftigung für alle Arbeitnehmer in den Branchen vorgeschrieben, die in einer der im Arbeitnehmerentsendegesetz oder im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannten Branchen beschäftigt sind:
Bauhaupt- und Baunebengewerbe
Gebäudereinigungsgewerbe
Abfallwirtschaft einschließlich Straßenreinigung und Winterdienst
Gaststätten- u. Beherbergungsgewerbe
Pflegedienste
Personenbeförderungsgewerbe
Speditions-, Transport- und damit verbundenes Logistikgewerbe
Briefdienstleistungen
Sicherheitsdienstleistungen
Schaustellergewerbe sowie Unternehmen, die sich am Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen beteiligen
Fleischwirtschaft
Unternehmen der Forstwirtschaft
Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach SGB II und SGB III
Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft
Steinkohlebergbauspezialarbeiten
Daneben ist eine Aufzeichnung notwendig für Arbeitnehmer mit gleichbleibendem Monatsgehalt nahe der Mindestlohngrenze, wenn in einzelnen Monaten durch überdurchschnittlich viele Werktage oder Mehrarbeit der Mindestlohn unterschritten wird. Nur so lässt sich belegen, dass im Jahresschnitt der Mindestlohn gezahlt wurde.
Stundenaufzeichnungen: Als Nachweis kommen manuelle Aufzeichnungen oder eine maschinelle Zeiterfassung in Frage. Die Stundenaufzeichnungen müssen mindestens wöchentlich ergänzt werden, denn der Arbeitgeber muss Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit spätestens sieben Tage nach dem Tag der Arbeitsleistung erfassen und die Zeiterfassung mindestens zwei Jahre lang aufbewahren.
Auftraggeberhaftung: Mit der Einführung des Mindestlohns gilt für alle Unternehmen eine Auftraggeberhaftung. Danach haftet der Auftraggeber einer Werk- oder Dienstleistung unabhängig von eigenem Verschulden für die finanziellen Verpflichtungen des Auftragnehmers aus dem Mindestlohngesetz. Die Haftung erstreckt sich auch auf die Subunternehmer und Zeitarbeiter des Auftragnehmers. Nur mit einer sorgfältigen Auswahl und Kontrolle der Auftragnehmer lässt sich das Risiko klein halten. Zudem ist es ratsam, vom Auftragnehmer eine schriftliche Bestätigung zu verlangen, dass er den Mindestlohn zahlt.
Meldepflichten: Arbeitgeber in den im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannten Branchen mit Sitz im Ausland müssen vor Beginn jeder Werk- oder Dienstleistung für jeden Arbeitnehmer eine Anmeldung bei der zuständigen Zollverwaltung abgeben.
Strafen: Für Verstöße gegen die Mindestlohnvorschriften drohen drastische Strafen. Einem Arbeitgeber, der den Mindestlohn unterschreitet oder nicht rechtzeitig zahlt, droht ein Bußgeld von bis zu 500.000 Euro. Gleiches gilt für einen Auftraggeber, der dies von seinem Auftragnehmer weiß oder fahrlässig nicht weiß. Eine Verletzung der übrigen Vorschriften kann ein Bußgeld von bis zu 30.000 Euro nach sich ziehen. Außerdem können Unternehmen, die gegen das Mindestlohngesetz verstoßen, von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden.
Hotline: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat eine Hotline eingerichtet, die alle Fragen zum Mindestlohn beantwortet. Die Hotline ist von Montag bis Donnerstag von 8 bis 20 Uhr unter der Rufnummer (030) 60 28 00 28 erreichbar.